13. Europameisterschaft Freie Partie der Damen von 26. – 28.8.2005 in Haaksbergen (Niederlande)                  >>>Webgalerie 13. EM Freie Partie

Die Fachzeitschrift "billard" (Nr. 177) berichtete:

Die letzte Europameisterschaft liegt bereits drei Jahre zurück, wurde in Wien im Sportheim der Wiener Billard Assoziation ausgetragen und brachte Ingrid Englbrecht den so heiß ersehnten ersten Titelgewinn; sie ist auch die einzige Spielerin, die an bislang allen Titelkämpfen teilgenommen hat. Davor gab es 1999 eine EM, die durch Monique van Exter gewonnen wurde, sozusagen im Jahr 1 nach Magalie Declunder, die alle 10 Titelkämpfe zuvor für sich entscheiden konnte. Ursprünglich war das Turnier an Berkel-Enschot vergeben worden, ein Todesfall machte aber die Durchführung unmöglich, worauf Haaksbergen bzw. der BV de Biester unter Leitung seiner Vorsitzenden Annitha Nijhof-Bartelink einsprangen. Der Klub, der im gleichnamigen Lokal untergebracht ist, zählt fast 90 Mitglieder und ist damit für holländische Verhältnisse so etwas wie ein Großklub, der sich über seine Mannschaften definiert. Es gibt Teams in allen Disziplinen, selbstverständlich auch im Nachwuchsbereich und für die Damen. Eine Besonderheit ist das jährlich durchgeführte Pokalturnier für Damen, bei dem regelmäßig so um die 50 Teilnehmerinnen an den Start gehen.
Noch eine Änderung gab es im Vorfeld des Turniers, das, ursprünglich für 16 Starterinnen ausgelegt, dann mit 8 Damen gespielt wurde. Von der Prominenz fehlten Huguette Suter (F) und Diane Wild (CH), und auch die Französin Celine Bleuse wurde kurzfristig durch ihre Landsfrau Brigitte Gaultier ersetzt. Die Favoritinnen waren neben Englbrecht vor allem Monique van Exter und Susanne Ponsing, alle anderen Teilnehmerinnen durften sich eigentlich kaum Hoffnungen machen, den großen Titel zu holen. Zunächst ging es in zwei Gruppen zu jeweils vier Spielerinnen los, die jeweils beiden ersten erreichten die obere Finalgruppe, in der wieder bei 0 begonnen wurde. Analog spielten die Nummern 3 und 4 in der unteren Finalgruppe.

Ingrid startete in Gruppe A, in der sie als Titelverteidigerin topgesetzt war, mit dem erwarteten Sieg gegen Julie Martin, die ihr aber gefährlich nahe kam; Ingrid hatte ihr die verkehrte Amerikaposition hinterlassen, die die Französin prompt zu einer Serie von 90 Points nutzte! Die erfahrene Christel Willemse schlug ihre Landsfrau Ikink ganz sicher und traf daher in der Siegerrunde auf Englbrecht. Willemse nützt gerne gute Hinterlassenschaften, um ihrerseits die Bälle eher strategisch zu verteilen. Die Holländerin, unserer Ingrid an sich spielerisch unterlegen, hatte auch prompt nach 7 Aufnahmen mehr als 100 Punkte zu Buche stehen. Englbrecht kämpfte sich zwar heran, aber mit ihrer 3. Serie von mehr als 40 Punkten machte Willemse tatsächlich den Sack zu. Ikink schlug überraschend Martin, worauf es in der letzten Runde zu einem echten Entscheidungsspiel zwischen ihr und unserer Hoffnungsträgerin kam. Englbrecht war in dieser Situation hellwach und jederzeit Herrin der Lage und wurde sogar noch Gruppensiegerin, da Willemse gegen Martin sang- und klanglos unterging. Ingrid war also wie Willemse für die obere Finalrunde qualifiziert und hatte damit eine Medaille bereits sicher, da zwei dritte Plätze vergeben wurden.
In Gruppe B war mit Heike Hingerl eine zweite Österreicherin am Start, die allerdings in van Exter und Ponsing doch scheinbar übermächtige Gegnerinnen vorfand. Im Falle der Holländerin war das auch der Fall, nicht aber bei der Deutschen, immerhin eine mehrfache Medaillengewinnerin bei Europameisterschaften. Susanne Ponsing, vielleicht unter ihrem Mädchennamen Stengel besser bekannt, ließ einen deutlichen Trainingsrückstand erkennen. Der Grund dafür heißt Kevin und ist das zweite Kind von Mutter Susanne und Vater Pierre. Sowohl sie als auch die Französin Gaultier, eine Debutantin, lagen im Durchschnitt nur wenige Zehntel vor der Österreicherin, die aber dennoch vorerst nur den letzten Platz belegte. Die Gruppenfavoritinnen hatten sich durchgesetzt, worauf es in der für die Medaillen entscheidenden Gruppe zu der in etwa erwarteten Konstellation kam.

In der Finalgruppe B konnte Hingerl gegen Galtier ihren ersten Sieg feiern, womit ihr die Revanche für die Niederlage in den Gruppenspielen gelang. Gleichzeitig konnte sie damit den letzten Platz im Endklassement an die Französin abgeben. Martin erwies sich in dieser Phase wie erwartet als stärkste Spielerin, trotz einer eher peinlichen Niederlage gegen Marie Therése Ikink..
Eine Medaille war für Englbrecht also bereits gesichert, aber natürlich nicht die Farbe derselben, denn es ging wieder von vorne los. Ihre erste Gegnerin war Willemse, Ingrid gelang dabei die sportliche Revanche, und auch Ponsing drehte gegen van Exter den Spieß um und siegte in sehr guten 14 Aufnahmen. Im Gruppenspiel hatte die Holländerin ihrerseits Ponsing in der Anfangsphase mit einer starken Serie von 86 unter Druck gesetzt. Im nächsten Durchgang spielte Ingrid nun gegen van Exter, eine zweifellos vorentscheidende Partie. In Summe war es auch die vielleicht beste des Turniers, mit 11.538 DS für die Siegerin und 9.076 für die Verliererin, und das allerbeste daran war, dass die beiden so wichtigen Partiepunkte an Englbrecht gingen! Als dann Ponsing gegen Willemse einen regelrechten Leistungsrückfall hatte, war Ingrid eigentlich schon durch, ihr letztes Spiel war praktisch bedeutungslos geworden. Ingrid gewann auch das und unterstrich damit eindrucksvoll ihre dominante Stellung in diesem Turnier! Van Exter, bislang punktelos in der Finalrunde, holte sich mit einer fulminanten Schlusspartie gegen Willemse doch noch Silber, aber Gold war längst an Englbrecht vergeben. Es gab niemanden in Haaksbergen, der unserer Ausnahmespielerin den neuerlichen Erfolg nicht vergönnt hätte, und auch niemanden, der ihr nicht konzediert hätte, die deutlich stärkste Spielerin dieser Titelkämpfe zu sein. Der Erfolg ist eine Konsequenz ihrer unverbrüchlichen Hingabe an den Billardsport und auch ihrer Fähigkeit zur Selbstkritik. Es wäre nicht unsere Ingrid, hätte sie nicht doch etwas gefunden, was in Haaksbergen hätte besser sein sollen oder müssen:  ihr gelangen nämlich keine größeren Serien, was aber auch mit dem hochempfindlichen Tuchmaterial zu tun hatte, das den geringsten Tempofehler sofort bestrafte. Wie auch immer, die beste Spielerin hat gewonnen und davor hat auch jede Selbstkritik zu verstummen. Ingrid Englbrecht ist ein Vorbild im Billardsport, längst nicht nur für die Damen, es ist die Einstellung, die zur Nachahmung empfohlen wird. Wir verneigen uns gerne vor der großen Dame des österreichischen Billardsports!
Im offiziellen Klassement werden für die Spielerinnen nur jene Werte ausgewiesen, die sie in den beiden Finalgruppen erspielt haben; wir sind aber der Meinung, dass alle im Rahmen dieser Europameisterschaft erzielten Ergebnisse einzuarbeiten sind. Das haben wir im folgenden Endklassement gemacht, ohne natürlich die offizielle Rangwertung zu verändern. Peter Stöger. Bild links: Heike Hingerl (links) und Ingrid Englbrecht. Bild rechts v.l.n.r.: Van Exter, Englbrecht, Stengel-Ponsing, Willemse

1. Ingrid Englbrecht (A) 10 – 02 842 98 8,591 11,538 54
2. Monique van Exter (NL) 08 – 04 694 110 6,309 16,666 86
3. Susanne Stengel-Ponsing (D) 06 – 06 585 142 4,119 10,714 51
4. Christel Willemse (NL) 06 – 06 684 132 5,181 10,000 49
5. Julie Martin (F) 06 – 06 635 154 4,123 6,150 90
6. Marie Theröse Ikink (NL) 06 – 06 475 158 3,006 4,066 20
7. Heike Hingerl (A) 02 – 10 352 166 2,120 1,933 20
8. Brigitte Gaultier (F) 04 – 08 413 170 2,429 3,866 2
     

 

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